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Information zu Motorproteinen bei HSP (mit drei Videos)

BeitragVerfasst: Do 7. Jun 2012, 11:38
von Rudi
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Hallo zusammen,

zu dem Beitrag bezüglich der Förderung des Forschungsprojektes am SPG10 (Uni Tübingen, Dr. Rasse --> siehe Beitrag 10 bei Fachaufsätze zur HSP) erhielt ich ein paar Anrufe. Ich wurde gefragt, ob ich etwas mehr zu den im Text angesprochenen „Motorproteinen“ sagen könne, und ob diese Proteine auch bei anderen Formen der HSP als dem SPG10 betroffen sind.

Das SPG10 enthält den Bauplan für ein Protein namens KIF5A. Der Name sagt jetzt zunächst einmal uns Laien gar nichts. Er ist die Bezeichnung für ein Protein, das zu den Kinesinen gehört. Kinesine sind Proteine, die der oben angesprochenen Gruppe der Motorproteine zuzuordnen sind. Motorproteine sind –bildlich gesprochen– die „Lastwagen“ in unseren Zellen. Sie transportieren Nährstoffe und andere „Güter“ innerhalb unserer Zellen. Man könnte das Ganze auch mit einem Einkauf von Lebensmitteln im Supermarkt vergleichen. Die Lebensmittel sind für unser Überleben notwendig. Wir fahren mit dem Auto zum Supermarkt, holen uns dort die Waren und transportieren sie mit dem Auto zu uns nach Hause. Das Motorprotein ist nun nichts anderes als solch ein Auto.

Natürlich benötigt unser Transporter, genau wie unser Auto, auch eine Straße. Dazu später.

So wie es viele verschiedene Autos gibt, so gibt es auch verschiedene Motorproteine. Ein Typ dieser Proteine ist beispielsweise die Gruppe der Kinesine. Wir vergleichen sie nun einfach einmal mit der Automarke VW. Und so, wie es beim VW verschiedene Modelle gibt, so gibt es auch verschiedene Kinesine. Das Kinesin, das durch das SPG10 gebildet wird, ist das Modell mit dem Namen KIF5A. Ein anderes Modell der Kinesine ist das KIF1A, das durch das SPG30 gebildet wird. Es existieren weitere „Modelle“ aus der Kinesinfamilie, bei denen derzeit untersucht wird, ob sie einen Zusammenhang zur HSP haben können. Natürlich gibt es neben unserer Modellreihe VW, oder besser neben der Modellreihe Kinesin, auch noch andere Transportproteine. Das sind zum Beispiel die Myosine oder die Dyneine; wir können die nun einfach mit anderen Automarken vergleichen.

Bleiben wir aber bei unseren Kinesinen. Hat das SPG10 beispielsweise eine Mutation, so wird das entsprechende Kinesinmodell, hier das KIF5A, falsch hergestellt. Wir können wieder bildlich sprechen und sagen, dass unser Transporter nicht richtig fahren kann, weil er einen Konstruktionsfehler hat. Das führt dazu, dass die zu transportierenden Nährstoffe nicht mehr an dem Ort in der Zelle ankommen, an dem sie benötigt werden. Die Zelle kann deshalb nicht mehr richtig arbeiten, sie degeneriert. Und durch die Degeneration dieser Zelle, die für die Weiterleitung der Bewegungsimpulse verantwortlich ist, funktioniert unsere Bewegung nun nicht mehr richtig.

Jetzt aber zu der oben angesprochenen Straße. Diesen Zusammenhang baue ich nur deshalb auf, um ein Verständnis für die Zusammenhänge innerhalb der Gruppe der HSP-Gene zu erzeugen. Die Straßen, auf der unsere Motorproteine „fahren“, sind die Microtubuli. Und für den Bau dieser Microtubuli trägt zum Beispiel das Protein Spastin, das durch das SPG4 entwickelt wird, eine Mitverantwortung. Sollte diese Straße defekt sein, oder falsch gebaut sein, dann funktioniert der Verkehr auf dieser Straße nicht. Der defekte Transporter "Kinesin" führt also zum gleichen Malheur wie die defekte Straße "Microtubuli". Die erforderlichen Nährstoffe können nicht an ihren Zielpunkt gelangen. Im ersten Fall ist der Transporter defekt, im zweiten Fall ist die Straße defekt. Die Zelle kann nicht richtig arbeiten und degeneriert.

Es gibt im Internet ein paar schöne kleine Filme, die die Arbeit eines Kinesins auf den Microtubuli zeigen.



Oben ein Filmchen von 30 Sekunden Länge, das die „Beine“ des Transporters Kinesin und seine Bewegung auf der Straße Microtubuli zeigt. Transporter und Straße sind hier ohne Mutation, also gesund dargestellt.
Für das Verständnis der komplexen Zusammenhänge in unseren Zellen ist es natürlich auch einmal interessant die Arme des Kinesins und ein Transportgut zu sehen. Schön verdeutlicht das der Film unten zwischen Minute 2:15 und 3:00. Am Anfang wird gezeigt, wie die Microtubuli aufgebaut und wieder abgebaut werden. (Hinweis am Rande: Beim Abbau ist das Spastin [SPG4] tätig; die abgebauten Teile werden bei einem gesunden Spastin so klein gemacht, dass sie dynamisch in neue Microtubuli eingebaut werden können. Der notwendige Abbau funktioniert durch das mutierte Spastin aber nicht richtig). Dann wird ein Motorprotein mit „Beinen“ und „Armen“ bei der Arbeit gezeigt. Die blaue Kugel ist übrigens das Transportgut, was beispielsweise ein Nährstoff für die Zelle sein könnte. Es ist schon erstaunlich, welch großes Transportgut so ein kleines Kinesin bewegen kann. Der Filmbeitrag (45 Minuten) geht an anderer Stelle auf dieses ungewöhnliche Können ein. Das Video gibt es aber leider nur in englischer Sprache.




Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, das Verständnis für die Arbeit der Motorproteine weiter auszubauen und gleichzeitig erkennbar zu machen, wie eng verzahnt verschiedene Gene und ihre Proteine an den typischen HSP-Symptomen beteiligt sind. Solche Zusammenhänge, die in den letzten zwei Jahren immer mehr entdeckt werden, bieten der HSP-Forschung sehr interessante und hoffentlich hilfreiche Ansätze. Auch der Aufsatz von
Allen Bernhard, der momentan ins Deutsche übersetzt wird, befasst sich ebenfalls mit solchen Themen.

Es ist mir natürlich auch an dieser Stelle wieder wichtig darauf aufmerksam zu machen, dass solche Arbeiten mit unserer finanziellen Unterstützung beschleunigt werden können. Eine sinnvolle Möglichkeit ist in jedem Fall das
“Zentrum für Seltene“ in Tübingen. Bitte bei jeder Spende aber immer den Hinweis „HSP-Forschung“ mit aufnehmen.

Am Rande dann noch eine Info zu einem weitern, kleinen Video, das sich mit dem Innenleben in unseren Zellen befasst. Auch in diesem Film haben die Kinesine "eine schauspielerische Rolle" übernommen. In zwei Minuten verdeutlicht das Video, warum sich das Innenleben einer Zelle mit dem Leben in einer Stadt vergleichen lässt. Es zeigt sehr schön auf, mit welchen sehr kleinen Teilchen des Lebens unser HSP-Forscher arbeiten.

Herzliche Grüße
Rudi