Hallo zusammen,
ich möchte euch meinen gesundheitlichen Verlauf der letzten Jahre erzählen.
Schon seit etwa 20 jahren bin ich mal mehr mal weniger übergewichtig, begonnen hat es mit dem Auszug aus dem Elternhaus, anders kochen und essen auch aufgrund meiner eingeschränkten Feinmotorik, die Hormone der 3-Monats-Verhütungsspritze zeigten sich auch noch zusätzlich negativauf der Waage.
Mit 151cm und knapp unter 100kg war ich lange bei einem BMI von 43, Adipositas Grad 3, bekam die Kilos aber nicht runter. Mein Gangbild verschlechterte sich, ich kam schneller außer Atem, Knie taten weh.Normalgewichtige haben einen BMI von 25 bis 27.
Ich entschloß mich dann im Juli 2017 gegen den Widerstand meiner Familie, mich an einem Adipositaszentrum (AZ) in Hamburg anzumelden. Im September 2017 hatte ich Termin zum Erstgespräch, wo ein umfangreicher Fragebogen zum Essverhalten auszufüllen war, um z.B. Ess-Brech-Sucht oder Binge Eating auszuschliessen. Ein großes Blutbild deckte Vitaminmängel bei D und Eisen auf. Im Oktober gab es dann ein Patientenseminar zum Start "Diäten machen dick" und es folgten während des 7monatigen MMK (Multimodales Konzept) monatliche Ernährungsberatung, monatliche SHG-Treffen in der Klinik sowie 2,5 Stunden dokumentierter Sport pro Woche. Meine Physiozeiten wurden anerkannt und ich nutzte den Betriebssport an Geräten.
Im Februar 2018 gab es dann als Voruntersuchung eine Magenspiegelung in Kurznarkose, um z.B. den Heliocobacter auszuschliessen. Ebenfalls im Februar war ich zum Knie-MRT, wo ein Knorpelschaden aufgrund von Tetraspastik und Übergewicht festgestellt wurde. Im Mai bekam ich vom Orthopäden gute Einlagen, seitdem sind die Knie schmerzfrei.
Im Mai war auch das MMK beendet, im AZ wurde gemeinsam der Antrag für die KK aus allen gesammelten Unterlagen zusammengestellt, wozu auch ein 14tägiges Ernährungstagebuch und über die gesamte Zeit ein Bewegungstagebuch gehörte mit täglicher Auswertung meines Schrittzählers am Hosenbund. Einige Unterlagen fehlten noch, auch mußte ich auf das Gutachten der Klinik warten, ob dort eine OP befürwortet wird. Alles zusammen ging dann Anfang Juni zur KK,4 Wochen später hatte ich erst die telefonische und kurz darauf die schriftliche Zusage der KK.
Mit der Zusage fuhr ich ins AZ, wo mir in einem Vorgespräch aufgrund meiner Epilepsie-Medikamente zu einem Schlauchmagen geraten wurde. Magenbypass und Omega Loop werden mit den Darmschlingen anders verbunden, wobei die Medis dann nicht im Magen sondern erst im Darm verarbeitet würden, wovon ich nur Nachteile gehabt hätte. Von Magenband und Magenballon wird von Fachärzten abgeraten, zu gefährlich und manipulierbar. Kaum zu Hause angekommen, bekam ich telefonisch den OP-Termin für Ende September 2018 mitgeteilt. Ich war happy wie lange nicht mehr.
Am 24.9.18 fand die OP mit weiteren 7 Patienten statt. Wir liefen die nächsten Tage gemeinsam über den Stationsflur, um das restliche OP-Gas aus dem Bauch wieder los zu werden. Am 27.9.18 wurden wir nach einer kurzen Ernährungsberatung zum neuen Essverhalten entlassen.
8 Wochen später und nach der ersten Nachsorgeuntersuchung kann ich ein positives Fazit ziehen. Meine Klamotten werden mir zu groß, lange kannte ich nur das Gegenteil. Vor OP hab ich die doppelte Portion des normalen gegessen und stand manchmal noch hungrig vom Tisch auf, ein Sättigungsgefühl kannte ich fast nicht mehr. Nun, mit einem Magenvolumen von etwa 100ml, reichen mir 2 Knäcke mit Käse, um satt zu sein. Das Essverhalten muß dauerhaft umgestellt werden auf viel Protein, wenig Fett und wenig Kohlenhydrate, blähende Lebensmittel wie Nudeln oder Reis werden von vielen Operierten lange nicht vertragen, dafür gibt es plötzlich Lieblingsgerichte, die man vorher nicht mochte, bei mir z.B. Thunfisch. Ich bin mit 97 Kilo gestartet, jetzt bin ich bei knapp unter 84 Kilo und habe nur noch Adipositas Grad 2, mein Ziel ist, mich langfristig bei ca. 60 Kilo einzupendeln.
Der Anstoß für die OP waren nicht nur die Knieschmerzen sondern auch mehrfacher Herzinfarkt und Schlaganfall in der Familie und die Frage, wer irgendwann wen pflegt. Die Tochter im Rollstuhl die übergewichtige Mutter oder eine schlankere Mutter, die noch längere Jahre für die Tochter da sein kann.
Ich muß dauerhaft hochdosierte Vitamine nehmen von Spezialherstellern für bariatrische OPs, um damit Mängel vorzubeugen, weil der kleinere Magen nicht mehr alles in benötigter Menge aufnehmen und verarbeiten kann. Die Nachuntersuchungen in größer werdenden Abständen, irgendwann nur jährlich, werden mich dauerhaft begleiten, um auch später mögliche Mängel aufzudecken, die schlimme Folgen haben können.
Um auf meine Überschrift zurück zu kommen, appelliere ich an alle Eltern mit oder ohne HSP:
Denkt bei all dem Kampf auch an eure eigene Gesundheit, um der Familie möglichst lange erhalten zu bleiben. Lasst euch untersuchen, ein großes Blutbild kann einiges aufdecken, was man im Alltag nicht wahrnimmt, aber behandlungswürdig wäre.
Für Fragen stehe ich gerne zur Vefügung, z.B. Vorraussetzungen für OP oder Auswirkung auf Begleiterkrankungen. Es wird z.B. gerade dafür gekämpft, daß Adipositas als Krankheit anerkannt wird von den Kassen und nicht als "Die Dicken können sich beim Essen nicht zügeln" abgetan wird. Auch die durch Abnahme entstehenden Hautlappen und daraus resultierende Folge-OPs sind noch keine Selbstverständlichkeit, viele gehen den Weg über die Klage vor Gericht.
Gruß, Katrin