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Rezessiver Erbgang

BeitragVerfasst: So 21. Apr 2019, 10:12
von Maumau
Hallo zusammen,
ist es möglich, bei einer Mutation zu erkennen, ob die Veranlagung von beiden Seiten weitergegeben wurde - und somit entsprechende Auswirkungen hat, oder nur von einer?
Leider müssen wir noch ein wenig auf das Ergebnis der Genuntersuchung unseres Sohnes warten, konnten aber immerhin bereits erfahren, dass das Ergebnis nicht eindeutig sei und von uns als Eltern ebenfalls Tests gemacht werden müssten.
Wenn ich diese beiden Aussagen zusammen nehme, würde ich interpretieren, dass eine Mutation mit rezessivem Erbgang gefunden wurde, aber noch geprüft werden muss, ob unser Sohn diese Anlage nur von einem Elternteil, oder von beiden Elternteil erhalten haben kann. Ansonsten wüsste ich nicht, wofür wir getestet werden sollen, allerdings dachte ich bisher immer, dass gleich zu erkennen ist, ob die entsprechenden Anlagen nur einseitig oder beidseitig vorhaden sind.

Danke im Voraus für Eure Antworten.

Re: Rezessiver Erbgang

BeitragVerfasst: So 21. Apr 2019, 17:52
von Rudi
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Hallo MauMau,

mit den Infos, die du gegeben hast, ist das noch nicht so ganz einfach zu beurteilen. Hat man euch denn schon ein Gen benannt? Du vermutest dass es eine rezessive Vererbung sein wird. Das mag auch so sein. Jeder von uns hat jedes einzelne Gen in jeder Körperzelle doppelt vorhanden. Nämlich einmal von der Mutter und einmal vom Vater. Diese beiden Varianten werden Allele genannt (der Hinweis nur, falls du den Begriff im Diagnosebericht liest). Und jetzt kommen so ein paar besondere Varianten.

Eine ist die extrem seltene „uniparentale Vererbung“. Da hat die Natur uns ein Schnippchen geschlagen. Da sind die beiden Allele beide von einem Elternteil gekommen. Das bedeutet bei einem rezessiven HSP-Gen, dass beide Elternteile keine HSP-Symptome zeigen. Denn nur ein Elternteil hat dieses rezessive HSP-Gen in der mutierten Variante in den eigenen Zellen. Also sollten alle Kinder gesund sein. Nun ist aber dieses defekte Gen gleich zweimal eingebaut worden. Das Kind hat also kein funktionsfähiges gesundes Gen. Es wird krank werden. Die Docs wollen dann in der Diagnose beider Eltern erkennen, ob nur ein Elternteil den Defekt in sich trägt. Ich weiß bisher nur von einer HSP-Familie, in der das passiert ist.

Die zweite Variante ist die, dass der gefundene Defekt in dem Gen bisher noch nie irgendwo beschrieben wurde. Du musst es wissen, dass es in jedem Gen zahlreiche Fehlermöglichkeiten gibt. Allein im SPG4, dem Spastin, kennt man mehrere 100 Mutationen. Sollte das bei euch der Fall sein, dann gilt es diese Mutation bei eurem Sohn so zu dokumentieren, dass sie für alle Diagnostiker weltweit greifbar ist. Damit wird dann erreicht, dass die Menge der Diagnosen sicherer wird und künftig schneller geht.

Als dritter Fall könnte eine Besonderheit in einzelnen HSP-Genen vorliegen. Es gibt Gene (Beispiel ist das rezessive SPG7) da zeigt sich eine Mutation nur in einem Allel und die erzeugt dann dennoch die HSP-Symptome. Beim SPG7 kennt man zwei solcher Mutationen. Und wenn die Krankheitszeichen auftreten, wenn nur ein Allel mutiert ist, dann deutet viel darauf hin, dass dieses rezessive Gen am gefundenen Mutationspunkt dominant wirkt. Dann wollen die Genetiker wissen ob die Mutation von Vater oder Mutter kommt und sie wollen wissen, warum beim betroffenen Elternteil keine Symptome auftreten.

Es könnte auch passiert sein, dass die gefundene Mutation zwar dominant erscheint, es aber gar nicht ist. Dann dürften sich bei eurem Kind keine Symptome zeigen. Dann erscheint es sehr wahrscheinlich, dass bei eurem Kind das mutierte HSP-Gen noch gar nicht gefunden wurde. Dann könnte man mit den Genen der Eltern und mit den Genen des Kindes eine neue Diagnosevariante starten.

Eine weitere Variante ist die, dass es sich um ein dominantes Gen handelt, das an dem vorliegenden Mutationspunkt aber rezessiv wirkt. Das gibt es zum Beispiel beim SPG4 an einer Stelle. Sollte so etwas bei euch an einer neuen Stelle gefunden worden sein, dann müsste das unbedingt geklärt und dokumentiert werden. Hier hätten dann ja beide Eltern im dominanten HSP-Gen eine rezessive Mutation und wären gesund. Das müsste unbedingt in den Genen der Eltern geprüft werden. Das Kind hätte ja von beiden Eltern das mutierte Gen bekommen (Risiko wäre 25%). Für künftige Diagnosen wäre die Info wichtig.

Du erkennst es, warum ich oben sagte, dass es mit den vorliegenden Infos nicht wirklich möglich ist, eine Erklärung zu geben. Die Genetik bietet da eine Vielzahl an Varianten, die nur Genetiker anhand der vorliegenden Ergebnisse beurteilen können. In jedem Fall arbeiten eure Genetiker sehr intensiv und sehr gut. Ich glaube, dass ihr da in guten Händen seid. Es wäre schön, hier von euch zu lesen, welche Ergebnisse aus der laufenden Diagnose herauskamen.

Herzliche Grüße
Rudi




Re: Rezessiver Erbgang

BeitragVerfasst: Mi 22. Mai 2019, 12:05
von Maumau
Hallo Rudi,
erst einmal vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.
Inzwischen haben wir weitere Informationen erhalten.
Das KIF1A ist bei unserem Sohn nur einmal vorhanden, die 2. Seite fehlt vollständig. Deshalb möchte man bei uns nun prüfen, ob bei uns das Gen jeweils beidseitig vorhanden ist (in diesem Fall wäre das Fehlen höchstwahrscheinlich der Auslöser der Spastik unseres Sohnes).
Gruß, Maumau