Seite 1 von 2

Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Mi 30. Dez 2015, 12:10
von Uluru
Hallo, ich bin ganz neu hier. :D

Habe nach einer gefühlten Ewigkeit nun die Diagnose HSP erhalten. Einerseits bin ich darüber sehr froh, aber andererseits auch nicht.

Mein gesamtes Leben, von meiner Geburt an, habe ich mit der Diagnose "Infantile Zerebralparese" gelebt und das waren immerhin 38 Jahre. Bis ich etwa 30 Jahre alt war, veränderte sich die Spastik auch nicht. Als Kind und Jugendlicher konnte ich trotzdem alles machen, ich konnte laufen (recht stark schaukelnd und auch mit Scherengang), ein normales Rad fahren, etc. Das Laufen wurde zwar während meines Studiums etwas schwieriger (~ Mitte 20), aber das schob ich auf den Mangel an Bewegung durch's viele Sitzen in Vorlesungen und beim Lernen. Irgendwann war es dann soweit, dass ich mich nur noch zuhause oder in Häusern ganz allgemein laufend bewegte und sonst im Rollstuhl war. Zur selben Zeit begann ich auch, ziemlich stark Lymphödeme in beiden Beinen und Füßen zu bekommen - links stärker als rechts.

Meine Spastik war schon immer sehr viel stärker, wenn ich gestresst oder unter Druck bin. Mit Mitte 30 brach dann mein Wadenbein abrupt, ohne dass ich mich bewegte. Ich musste operiert werden und bekam eine Metallplatte mit Schrauben eingesetzt. Ein Jahr später wurde das Metall entfernt, ich bekam eine sehr starke Wundrose. Wochenlange Antibiotika-Behandlung war notwendig. Die Wundheilung setzte komplett aus. Nach etwa 9 Monaten war die Wunde zum ersten Mal geschlossen, aber selbst nach fast 3 Jahren ist sie nicht verheilt. Während die Wunde offen war, konnte ich nicht wirklich auf die Beine kommen. Jedliches Auftreten und Abrollen belastete diese Stelle. Ich hatte zwar, wie schon mein gesamtes Leben, mehrmals wöchentlich Physiotherapie, aber das konnte die Entwicklung nicht aufhalten. Nach den 9 Monaten konnte ich mit dem linken Fuß nur noch mit dem Vorderfuß auftreten. Eine Reha hat mir etwas geholfen, aber richtig auf die Beine kam ich auch da nicht. Meine Beine, besonders das Linke, sind sehr steif und unbeweglich geworden.
2012 bin ich mehrere Male mit Botox an beiden Beinen behandelt worden (Maximal-Dosis). Leider zeigte sich nur eine minimale Wirkung und die hielt auch nur etwa 5 Tage an. Seit letztem Jahr nehme ich auch Baclofen, aber das Mittel zeigt auch nur wenig Wirkung.

Seit letzten Sommer ist bei mir soviel hinzugekommen, dass ich echt hilflos bin:
- jede paar Wochen extrem starke Bauchschmerzen (laut Gastroenterologe aber keine Auffälligkeiten),
- starke Blasenproblematik (passt zur HSP),
- extrem starke Verstopfung (passt meines Erachtens nicht zur HSP),
- extrem starker Vitamin D Mangel,
- sehr starker Eisenmangel (ich darf aber laut Gastroenterologen keine Eisentabletten wegen meiner Verstopfung nehmen),
- Restless Legs,
- extrem starke Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich,
- Karpaltunnelsyndrom in beiden Händen (mit Tests bewiesen - wenn ich mehr als ein paar Zeilen Text schreibe, verkrampft sich meine Hand bereits, früher konnte ich seitenlange Texte nonstop schreiben),
- versteifter Rücken und Bauch (ich kann mich im Bett nicht mehr drehen, das war früher auch nicht der Fall),
- extrem versteifter Beckenboden (und die Adduktoren)
- Gallensteine (eine ganze Reihe verschiedener Größe, vor etwa 2 Jahren hatte ich noch nicht einen Einzigen).

Ich habe bestimmt einige Symptome vergessen. Ich bin mein Leben lang immer von der Diagnose ICP ausgegangen. Vor kurzem wurde ich dann auf Segawa aufmerksam gemacht und eigentlich passen alle meine Symptome, die ich in meiner Kindheit und Jugend hatte, zum Segawa (Dopa Responsive Dystonie). Eine Testdosis Dopamin (Levodopa) wurde mir niemals verabreicht, um zu prüfen, ob es wirklich ICP oder nicht vielleicht Segawa ist. Aufgrund meiner vielen Symptome hatte ich im letzten halben Jahr versucht, einen Arzt zu finden, der diese Testdosis verabreicht. Hausarzt schickte mich zum Neurologen, der schickte mich zu meinem zweiten behandelnden Neurologen und der mich erstmal zur Humangenetik. Die Diagnose "HSP" ist höchstwahrscheinlich. Meine Frage wäre, ob es möglich ist, dass man Segawa und HSP gleichzeitig haben kann oder ob man erst Segawa haben kann und HSP schleichend nach der Volljährigkeit hinzukommen kann. Falls ja, macht es trotzdem Sinn, einen Neurologen, der sich mit Bewegungsstörungen und Parkinson auskennt, um die Gabe einer Testdosis zu bitten? Der Dopamin-Spiegel in meinem Blut ist wohl auch recht niedrig und Restless Legs habe ich ohnehin.

Ohh man, jetzt ist mein Beitrag doch ziemlich lange geworden. Eigentlich wollte ich mich möglichst kurz halten.

Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Mi 30. Dez 2015, 14:59
von Rudi
...........
Hallo Uluru,

zunächst herzlich willkommen heir bei uns im Forum "Ge(h)n mit HSP".

Das, was du schreibst, das klingt wirklich abenteuerlich und ist an einigen Stellen schwer nachvollziehbar. Es ist mir z.B. unklar, ob die Verdachtdiagnose Segawa von einem Arzt gestellt wurde.
Segawa, das sei für alle Leser hier kurz erklärt, ist eine Dystonie. Die Krankheit ist genau wie die HSP genetisch bedingt und ist daher bisher nicht heilbar, kann jedoch gut behandelt werden. Es ist die einzige Dystonie, die kausal therapierbar ist. Die Behandlung erfolgt mit Levodopa. Weil das so klar ist, vermute ich, dass dir Segawa nicht von einem Arzt benannt wurde. Zur Abklärung ist es in jedem Fall sinnvoll, einen Neurologen aufzusuchen, der sich mit genetisch bedingten Bewegungsstörungen auskennt. Da ich nicht weiß wo du lebst, hilft dir vermutlich unsere Seite zu den "HSP-Ambulanzen" weiter.

Dann ist mir bei deiner Beschreibung zu den Botox-Ergebnissen etwas aufgefallen. Du sprichst an, dass Botox nur fünf Tage gewirkt hat. Das ist so kaum vorstellbar. Die Wirkung von Botox funktioniert nämlich wie folgt: Dein Arzt spritzt Botox in den Muskel. Dann hast du an mehreren Stellen im Muskel ein kleines Botox-Depot. Das muss nun am besten durch deinen Physiotherapeuten im Muskel verteilt werden. Botox muss nämlich nach außen kommen. Dort baut dann der Wirkstoff die Stelle am Muskel ab (d.h. er zerstört sie), an der der Nervenimpuls an den Muskel übertragen wird. Das ist die "motorische Endplatte". Dieser Abbau benötigt ein bis zwei Wochen. Dann erst ist der Botox-Effekt spürbar und die spastische Störung am Muskel wird geringer. In den kommenden drei Monaten baut sich die "motorische Endplatte" aber wieder auf. Der spastische Nervenimpuls wird wieder übertragen. Eine erneute Botox-Behandlung ist erforderlich. Diese Erklärung schreibe ich nur, weil die von dir benannten fünf Wirkungstage so nicht passen können. Es ist eher zu vermuten, dass das Botox bei dir absolut nicht wirkt. Das kommt bei HSP immer mal wieder vor. Wichtig ist es aber, dass du einen Doc hast, der sich mit Krankheiten wie der HSP auskennt und der weiß, welche Muskel er spritzen muss.

Auch die extrem starke Verstopfung passt 100%ig zur HSP. Habe ich selbst gehabt. Es scheint da einen Zusammenhang zu den Blasenstörungen zu geben. Etwa ein halbes Jahr nachdem ich anfangen musste zu katheterisieren, war bei mir das Thema Verstopfung ganz von selbst erledigt. Ich habe mir einige Jahre zuvor damit geholfen, dass ich sehr ballaststoffreich gegessen habe. Weißbrot, Brötchen und Schokolade gab es bei mir nicht. Statt dessen nur Vollkornbrot und regelmäßig Nüsse. Das half recht gut.

Bei der Diagnose "Restless Legs" musst du wissen, dass RLS bei HSP'lern eventuell häufiger als in der Normalbevölkerung vorkommen soll. Ist aber nicht sicher. Wann hast du denn die ruhelosen Beine? Nachts beim Versuch zu schlafen oder tagsüber beim ruhigen Sitzen, abends vor dem Fernseher, im Kino, beim Autofahren? HSP'ler haben das Zucken in den Beinen recht häufig nachts beim Versuch zu schlafen. Das scheint dann kein RLS zu sein. Es könnte mit der Blasenproblematik zusammen hängen. Achte doch einmal darauf, dass du vor dem Schlafengehen die Blase komplett leer hast und schau mal, ob es dann besser wird. Ich habe mir gerade noch einmal den Punkt 12l in unseren
"Häufigen Fragen" durchgelesen und habe erkannt, dass ich diesen Punkt etwas überarbeiten muss. Manchem HSP'ler hat es geholfen, die Baclofendosis etwas zu erhöhen. Sollten es aber Restless Legs sein, so sind die recht gut behandelbar. Medikamente wie Ropinirol® (ein Dodaminagonist) oder auch Wirkstoffpflaster wie Neupro® sind gut geeignet.

Auch die von dir angesprochene Vitamin-D-Problematik scheint bei HSP in Einzelfällen vorzukommen. Es könnte sein, dass bei Mutatationen auf ganz bestimmten Genen eine Vitamin-D Therapie Vorteile bringen könnte. Aber Vorsicht. Vitamin D stellt unser Körper ja mit Hilfe von Sonnenlicht selbst her. In unseren Regionen ist das aber nur im Hochsommer ausreichend. Das musst du bei der Diagnose beachten, denn jeder Europäer, der in unseren Breiten lebt, wird im Hochsommer passende Werte und im Winter schlechte Werte haben. Du kannst dir doch ein entsprechendes Präparat verordnen lassen. Dekristol® mit einer Wirkstoffmenge von 20.000 I.E. wird von einigen HSP'lern regelmäßig zweimal monatlich genommen.

Bei all diesen Punkten solltest du aber in jedem Fall mit deinem Arzt reden.

Nun noch zu dieser Frage von dir:
Meine Frage wäre, ob es möglich ist, dass man Segawa und HSP gleichzeitig haben kann oder ob man erst Segawa haben kann und HSP schleichend nach der Volljährigkeit hinzukommen kann.

Theoretisch ist das alles möglich. Es kommt aber praktisch nur sehr selten vor. Ich kenne zwei HSP'ler, die auch noch eine genetisch bedingte Ataxie haben. Also, denkbar ist das, aber sehr unwahrscheinlich. Bei all dem, was bei dir noch unklar ist, gebe ich dir den Rat unbedingt eine Uniklinik aufzusuchen, die sich intensiv mit HSP befasst. Nutze zum Finden einer passenden Klinik bitte die oben benannte Seite zu den Ambulanzen.

Wegen weiter Fragen kannst du dich auch gerne telefonisch melden (07033-36353).

Herzliche Grüße
Rudi



Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Mi 30. Dez 2015, 15:42
von Uluru
Vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort, Rudi. :)

Was die Botox-Behandlung betrifft, habe ich die erste Behandlung in einer Klinik bekommen und ein bis zwei Tage später konnte ich zumindest auf dem ganzen Fuß und somit stabiler stehen. Bei der Physiotherapie merkten die Therapeuten, die mich seit Jahren behandeln, etwas weniger Spannung, aber die Wirkung war etwa eine Woche später auch schon wieder verschwunden. Nach der zweiten Behandlung hatte ich direkt im Anschluss Physiotherapie, aber es zeigte sich eigentlich gar keine Wirkung. Es kann also gut sein, dass mein Körper eigentlich gar nicht drauf reagiert.

Bei mir wurde die Diagnose Segawa bis jetzt nie gestellt, aber es wurde auch gar nicht in Erwägung gezogen. Ich habe davon eher durch Zufall gehört und auch erfahren, dass einige Betroffene, die ihr Leben mit der Diagnose ICP gelebt haben, letztendlich an diesem Segawa Syndrom leiden. Das passiert vor allem, wenn man bereits als Kind ICP Symptome gezeigt hat. Daher würde ich das trotz dieser neuen Diagnose gerne abklären.

Die Restless Legs habe ich meist, wenn ich entspannt im Rollstuhl sitze. Die Symptome können sich den ganzen Tag über zeigen. In der Nacht habe zucken die Beine meistens nicht.

Um meinen Vitamin D Mangel zu beheben, nehme ich seit kurzem besagtes Dekristol.

Als Kleinkind haben sich meine Großzehen nach innen gedreht. Ebenso haben sich meine beiden Füße nach innen gedreht. Ich trug Thomasschienen und musste eine Sehnenverlängerungs-OP vornehmen lassen. Ist das denn für HSP typisch? Und ist es möglich, bereits kurz nach der Geburt diese Behinderung schon deutlich zu zeigen? Ich frage nur, weil es ja eine progressive Behinderung ist.

Was ich vergessen habe zu erwähnen ist, dass auch schon eine Transkranielle Magnetstimulation vorgenommen wurde, um die Reizweitergabe in den Körper zu kontrollieren. Im Oberkörper war alles normal, aber als die Reize an meine Beine weitergegeben wurden, gab es keinerlei Reaktion der Beine, nicht mal ein kleines Zucken. Die Reize wurden bis zum zumutbaren Limit erhöht, meine Beine reagierten gar nicht, aber obwohl die Reize gar nicht an meinen Oberkörper gerichtet waren, zuckte mein ganzer Oberkörper extrem. Kann das bei HSP der Fall sein?

Und kommt es auch häufiger vor, dass HSP-Patienten Lymphödeme entwickeln?

Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Mi 30. Dez 2015, 17:24
von Rudi
...........
Hallo Uluru,

wenn die Diagnose Segawa bisher nicht gestellt wurde, und wenn du bisher bei guten Ärzten warst, die sich mit genetisch bedingten Bewegungsstörungen auskennen, dann solltest du Segawa vergessen. Profis auf der Seite der Ärzte werden dieses Krankheitsbild kennen; schon weil es gut behandelbar ist.

Wenn du nachts keine Probleme hast einzuschlafen, dann solltest du auch RLS vergessen. Das Kernsymptom bei RLS sind die zuckenden Beine in der Nacht. Menschen mit RLS können nachts kaum schlafen und bekommen einen Bewegungsdrang, nur um ihre Beine wieder ruhig zu bekommen.

Die HSP kann sich in jedem Alter zeigen. Selbst innerhalb von Familien, wo ja der gleiche Genfehler vorliegt, gibt es extrem große Unterschiede. Ich kenne Familien, da traten bei einem Mitglied die ersten Symptome im Kindesalter auf, ein anderes zeigte diese Symptome im dritten Lebensjahrzehnt und ein dritte Mitglied bekam sie erst im sechsten Lebensjahrzehnt. Eine theoretische Erklärung dafür hat man. Das könnten so genannte
"Modifier Gene" sein. Dazu läuft aktuell eine Studie.

Hier ein
Link zur transkraniellen Magnetstimulation bei HSP. Die kurze Arbeit stammt von Prof. Klebe, als er noch an der Uni Kiel tätig war. Er ist nun in Freiburg.

Lymphödeme sind bei HSP-Patienten nichts Ungewöhnliches. Sie kommen vermehrt im Sommer bei warmen Temperaturen vor. Lymphdrainage hilft da recht häufig aber auch nicht immer.

Gruß
Rudi


Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Mi 30. Dez 2015, 19:24
von Uluru
Hallo Rudi,

danke für die Antwort.

Nun ja, bis vor ein paar Jahren hat jeder Arzt die Diagnose ICP für selbstverständlich genommen. Dann hat ein Neurologe in einer Klinik mich ganz genau untersucht (MRT, Lumbalpunktion, (die dauerte statt etwa 15 Minuten eine ganze Stunde, drei Ärzte versuchten es und stachen mit bestimmt 8 Spritzen an unterschiedlichen Stellen in meinen Rücken), Transkranielle Magnetstimulation, etc) und der erklärte mir, dass meine Symptome und die Entwicklung zur ICP passen. Erklären konnte er es aber nicht. Die Untersuchungen ergaben nichts. Aber auf Segawa wurde auch nicht überprüft. Und jeder Arzt, den ich bisher angesprochen habe, hat davon noch nie was gehört. Selbst mein Humangenetiker, der nun auf HSP geprüft hat, hatte zuvor von Segawa noch nichts gehört. Hier in dieser norddeutschen Region scheint wirklich noch kein Arzt davon gehört oder sich damit beschäftigt zu haben. Ich habe mich zwar insgesamt bei meinen Ärzten gut aufgehoben gefühlt, aber seit die Symptome immer schlimmer werden scheinen die Ärzte ratlos zu sein. Mein Hausarzt hatte nichts davon gehört, verwies mich an meinen ersten Neurologen, der hatte auch noch nichts davon gehört und verwies mich an meinen zweiten Neurologen, der in einer Klinik tätig ist und dessen Schwerpunkt unter anderem in Bewegungsstörungen und Morbus Parkinson liegen. Alle Fachärzte außer der Neurologen haben bisher sämtliche Beschwerden auf die ICP geschoben, woran ich nun wohl gar nicht leide. Und daher wüsste ich halt gerne, ob all meine Symptome doch von der HSP verursacht werden oder nicht.

Ich hatte eine ganze Zeit lang auch zuckende Beine während der Nacht und konnte nicht gut oder gar nicht schlafen. Aber seit mein Baclofen etwas höher dosiert ist, beschränken sich die Zuckungen meist auf den Tag.

Lymphdrainage habe ich seit etwa 8 Jahren mehrmals die Woche.

Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Mi 26. Mai 2021, 15:00
von Uluru
Halli hallo.

Ich bin auch mal wieder hier. Meine gesundheitliche Situation hat sich seit meinen letzten Beiträgen hier leider stetig verschlechtert. Ein paar neue Symptome sind hinzugekommen. Da ich hier aber schonen eigenen Beitrag habe, wollte ich dafür nicht extra einen neuen Beitrag öffnen.
Ich nehme schon seit einigen Jahren Levodopa. Nun habe ich aber seit etwa einem halben Jahr nachts regelmäßig und tagsüber häufiger plötzliche Muskelzuckungen, die zu unbeabsichtigten Bewegungen meiner Beine führen. Schlafen ist hiermit sehr schwer. Sind das Restless Legs oder doch etwas anderes? Falls ja, kann HSP diese Zuckungen trotz der Einnahme von Medikamenten, die das verhindern sollten, auslösen?
Anmerken muss ich, dass ich, ohne das es dafür Gründe gäbe, im letzten halben Jahr leider einiges an Gewicht zugenommen habe. Ich hatte zumindest geschafft, mein Gewicht über 7 Jahre zu halten.
Aus diesem Grund habe ich auch eine neue Matratze, diesmal ziemlich hart. Ich bin Seitenschläfer und habe jede Nacht Probleme einzuschlafen, da ich das Gefühl habe, dass das unten liegende Bein zwischen Matratze und dem obenliegenen Bein zerquetscht wird. Auch die sehr starken Armmuskeln fühlen sich auf der Matraze eher eingeengt an. Können die Zuckungen von der Matratze augelöst werden? Ich schlafe so schlecht, dass mir auch tagsüber häufig die Augen zufallen, selbst wenn ich gerade am Rechner arbeite. Ich würde gerne wieder normal schlafen und bin ziemlich ratlos. Vielleicht könnt ihr mir helfen? :)

Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Mi 26. Mai 2021, 16:20
von Rudi
...........
Hallo Uluru,

du schreibst:
Ich nehme schon seit einigen Jahren Levodopa. Nun habe ich aber seit etwa einem halben Jahr nachts regelmäßig und tagsüber häufiger plötzliche Muskelzuckungen, die zu unbeabsichtigten Bewegungen meiner Beine führen. Schlafen ist hiermit sehr schwer. Sind das Restless Legs oder doch etwas anderes? Falls ja, kann HSP diese Zuckungen trotz der Einnahme von Medikamenten, die das verhindern sollten, auslösen?

So wie du das beschreibst, kennen das zahlreiche HSP'ler. Ich gehöre auch dazu. Den meisten von uns wird gesagt, dass es sich um einen "Klonus" oder um "Restless Legs" handelt. Zur Behandlung der Restless Legs nimmst du vermutlich das beschriebene Präparat Levodopa (wird im Gehirn zu Dopamin umgewandelt). Sprich doch mit deinen Ärzten, ob du einmal einen Dopaminagonisten (regt Bindungsstellen in den Nervenzellen an, die für die Aufnahme von Dopamin zuständig sind) testen kannst. Ich nutze seit vielen Jahren das Präparat "Ropinirol" und komme mit sehr geringen Dosen hervorragend klar. Infos zum Thema und zu den Präparaten findest du
in diesem Artikel im Ärzteblatt.

Alternativ kannst du es auch mit CBD-Öl probieren. Da gibt es Beiträge bei uns im Forum. Leider wurde mir in einem Beitrag unterstellt, dass ich das Zeug verkaufe. Ist natürlich Blödsinn. In unserem Forum verweisen wir nur wir nur auf solche Präparate, von denen wir wissen, dass sie sauber sind. Das ist bei CBD-Öl nicht immer gegeben. Den angesprochenen Beitrag findest du
hier per Klick.

Herzliche Grüße
Rudi




Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Do 27. Mai 2021, 14:33
von Katrin
Hallo Uluru,

fachlich kann ich dir nicht so gut helfen wie Rudi, aber aus Erfahrung weiß ich, dass jeder Betroffene mit HSP, auch beim identischen SPG, ganz eigene Auffälligkeiten hat und anders damit umgeht.
Ich habe seit Geburt durch Sauerstoffmangel eine sog. Tetraspastik, meine Tochter hat vom Vater HSP geerbt, erst 2018 kam die Diagnose SPG 80, ein ganz neu gefundenes Gen.

Meine Neurologin konnte mit dem Begriff HSP sofort etwas anfangen, das ist aber nicht selbstverständlich. Das schreibe ich, weil du dich wunderst, dass deine Ärzte mit bestimmten Befgriffen seltener Erkrankungen fast nichts anfangen können.
Diese Unwissenheit beginnt bereits beim Medizinstudium, meine Schwester steht kurz vor der Facharztprüfung. Sie hat mir mal auf Nachfrage erzählt, dass der große Bereich der seltenen Erkrankungen dort nur kurz in einem Seminar erwähnt wird, in jeder Facharztrichtunge gibt es seltene Erkrankungen. Wenn der Arzt sich nicht durch Eigeninitiative selber fortbildet, bleiben diese Patienten leider auf der Strecke.
Ich erkläre es gerne so: Patienten mit seltenen Erkrankungen müssen den Ärzten oft die eigene Diagnose erklären, eigentlich sollte es andersrum sein.

Du schreibst, du wohnst in Norddeutschland, wir wohnen in Hamburg. Hier gibt es seit erst relativ kurzer Zeit die Möglichkeit, sich als Patient mit Behinderung jeder Art von mehreren ärztlichen Fachrichtungen innerhalb eines Termins anschauen zu lassen. Begonnen hat es unter der Namensgebung "Medizinisches Zentrum für Erwachsene mit Behinderung" (MZEB). Es ist aus der Tatsache entstanden, dass gute ärztliche Versorgung bei Behinderung mit Erreichen der Volljährigkeit meistens zusammenbricht, weil viele Arztpraxen nicht barrierefrei sind oder sein wollen und sich nicht die Zeit nehmen (wollen), sich mit umfangreichen Diagnosen zu beschäftigen. Wann z.B. sieht man jemanden mit Trisomie 21 im Wartezimmer eines Allgemeinarztes um die Ecke sitzen, eigentlich nie.

Das MZEB kümmert sich um genau solche Fälle und heißt inzwischen "SIMI" (Sengelmann Institut für Medizin und Inklusion). https://www.evangelisches-krankenhaus-a ... sion-simi/

Vielleicht ist das ja eine Möglichkeit für dich, erstmal deiner seit Kindheit bestehender Behinderung einen endgültigen Namen zu geben, um da auf der richtigen Spur zu sein und dann die einzelnen von dir genannten Symptome auf den Grund zu gehen und einen Zusammenhang zu finden.


Gruß, Katrin

Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Di 8. Jun 2021, 15:39
von Uluru
Ohhh, ganz lieben Dank für Eure beiden Antworten, Rudi und Katrin. :D :D :D
Mir ging's die letzten Wochen nicht so gut, daher bin ich erst jetzt hier.
Sehr schöne und vor allem hilfreiche Infos. Sie helfen mir sicherlich weiter. :D

Ich habe seit etwa einem halben Jahr folgende Probleme. Egal wie viel und lange ich geschlafen habe, ich fühle mich häufig sehr schlapp und mir kann es passieren, dass ich tagsüber, während ich am Rechner arbeite, regelmäßig kurz wegnickte und kurz einschlafe (meistens nur für ein paar Sekunden oder eine halbe Minute, zumindest kommt es mir so vor). Früher passierte mir das nie, selbst wenn ich eine Nacht gar nicht geschlafen habe. Deshalb irritiert es mich auch so. Ich bin dann zum Arzt und der hat mich untersucht und dann ins Schlaflabor geschickt. Dort habe ich dann zwei Nächte geschlafen und ich erhielt die Diagnose, dass ich recht stark schnarche. Das wusste ich schon und das tue ich bestimmt schon 15 Jahre oder länger. Doch bisher hatte ich nicht diese Müdigkeit. Seit ein paar Wochen habe ich nun das Empfinden, dass mir, obwohl ich im Rollstuhl sitze, schwindelig wird und mir die Augen, ohne dass ich das will, kurz zufallen. Auch habe ich das Problem, dass mir die Beine, wenn ich länger auf etwas Härterem sitze, einschlafen und ich dann große Probleme bekomme mich stehend umzusetzen, da ich meine Beine gar nicht mehr fühle. Und selbst im Liegen schlafen mir die Beine öfters mal ein.

Bisher hat mich das nicht so gesorgt, denn ich weiß, dass die Behinderung sehr progressiv entwickelt. Aber die Kombination an Symptomen macht mir nun doch Sorgen. Ich habe ja leider auch im letzten halben Jahr, ohne dass sich in meiner Ernährung etwas geändert hat, stark zugenommen. Könnte es sein, dass ich an Durchblutungsstörungen leide? Ich hatte schon einmal eine Untersuchung der Durchblutung der Beine, doch das ist sicherlich schon an die 10 Jahre her und damals war ich auch noch deutlich schlanker. Damals hatte ich zwar auch schon Wundheilungsstörungen, aber laut Untersuchung war alles OK. Eine OP Wunde, die sich infiziert hatte, heilte erst 9 Monate lang nicht, dann war sie verheilt und öffnete sich zwei Jahre später wieder und brauchte dann eineinhalb Jahre bis sie wieder zugeheilt war. :( Könnten die Zuckungen der Muskeln im Liegen vielleicht auch durch Durchblutungsstörungen verursacht werden? Ich nehme leider aufgrund von starker Lymphödeme in beiden Beinen und Füßen seit vielen Jahren entwässernde Mittel. Verstärkt das die Gefahr von Durchblutungsstörungen?

So wie ich rede, klingt es fast so als sei ich eine eingebildete Kranke. Und ich war schon so einige Male mit wirklichen Beschwerden bei Ärzten und erhielt dann immer nur die Antwort, dass das wahrscheinlich mit der Behinderung HSP zusammenhängt. Wissen tun sie es nicht, aber sie geben mir jedesmal das Gefühl ich würde mir das alles ohnehin nur einbilden. Vielleicht könnt ihr mir da auch weiterhelfen. :)

Re: Diagnose ist gestellt

BeitragVerfasst: Di 8. Jun 2021, 16:15
von Rudi
...........
Hallo Uluru,

das, was du zu deinen Symptomen schreibst, das kennen sehr viele HSP'ler. Du musst es wissen, dass es bei unserer HSP eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome gibt, die nicht alle kommen müssen. Das, was du zu der Müdigkeit schreibst, dass ist in meinen Augen ein solch typisches HSP-Krankheitszeichen. Es ist nämlich eines, das nur ein Teil von uns hat und auch dieser Teil hat es nicht ständig. In zahlreichen Gesprächen habe ich es immer wieder erfahren, dass die Müdigkeit im Normalfall am Nachmittag eintritt und etwa eine Stunde anhält. Nach der Stunde ist dann alles wieder ganz ok. Es kann sein, dass solche Attacken während mehrerer Monate ganz regelmäßig eintreten und dass sie dann wieder für einen langen Zeitraum ganz verschwinden. Einen Grund dafür kenne ich nicht. Es scheint auch nicht abhängig vom betroffenen Gen zu sein.

Die Durchblutungsstörungen solltest du ärztlich überprüfen lassen. Du kannst aber sehr sicher sein, dass das Zucken der Beine nichts mit solchen Durchblutungsstörungen zu tun hat. Solche Zuckungen in den Beinen, bei denen Ärzte von einem Klonus reden oder es mit restless legs in Zusammenhang bringen, sind wieder eines dieser HSP-Symptome, das viele von uns -aber zum Glück nicht alle- haben.

Wie gesagt, es gibt eine Vielzahl solcher Symptome, die nicht bei jedem auftreten, die in unterschiedlichem Alter und die auch in unterschiedlicher Stärke auftreten. Lies doch einmal die
"Häufigen Fragen". Da sind zahlreiche solcher Symptome beschrieben. Sie gehören bis heute einfach zur HSP.

Herzliche Grüße
Rudi