Seite 1 von 1

Kostenübernahme für Therapierad

BeitragVerfasst: Do 11. Jul 2013, 16:46
von Alexandra
Hallo zusammen!!

Im Netz habe ich einen interessanten Artikel entdeckt:

Krankenkasse muss Therapierad zahlen
Gesetzliche Krankenkassen haben die Kosten für ein Therapiedreirad zu übernehmen, wenn behinderte Menschen so dem Verlust ihrer Gehfähigkeit vorbeugen können.
Geklagt hatte eine 44-jährige Frau, die seit ihrer Geburt an einer Tetraspastik leidet. Seit ihrem 16. Lebensjahr benutzt sie zur Ergänzung der Gymnastik ein Behindertendreirad, welches den vorhandenen Rollstuhl nicht vollständig ersetzt. Vielmehr konnte durch das tägliche Training mit dem Therapierad die Gehfähigkeit erhalten werden. Infolge der intensiven Nutzung war das Dreirad der Klägerin nach 12 Jahren nicht mehr brauchbar. Sie beantragte daher bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme in Höhe von 2.300 Euro für eine Ersatzbeschaffung. Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass der Klägerin bereits ein Rollstuhl zur Verfügung stehe. Zudem sei Rad fahren kein Grundbedürfnis, das bei behinderten Erwachsenen von den Krankenkassen sicherzustellen ist. Anstelle des Therapierades könne ein Heimtrainer genutzt werden.
Die Richter beider Instanzen gaben der Klägerin Recht, dass das Therapierad zur Rehabilitation gehöre und die Kosten somit von der Krankenkasse zu übernehmen sind. Zwar ist die Ermöglichung des Fahrradfahrens für Erwachsene kein Grundbedürfnis und ist daher nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen umfasst. Im Rahmen der medizinischen Rehabilitation gehört es aber auch zur Leistungspflicht der Krankenkassen, einer drohenden Behinderung –hier dem Verlust der Gehfähigkeit – vorzubeugen. Laut Sachverständigengutachten ist die Krankengymnastik bei der Klägerin nicht ausreichend. Durch das Training mit dem Therapierad werde der Muskel aufgebaut, die Spastik gemindert und die Koordination verbessert. Es werde eine langsamere Ermüdbarkeit bewirkt und die Sturzgefährdung gemindert. Der Trainingserfolg ist unmittelbar erkennbar, sodass die zusätzliche Versorgung auch als zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich angesehen werden kann.
LSG Hessen, Urteil vom 17. Dezember 2009 – L 8 KR311/08

Ich werde meine Krankenkasse dazu mal befragen.
Liebe Grüße
Alex

Re: Kostenübernahme für Therapierad

BeitragVerfasst: Fr 12. Jul 2013, 10:38
von holi48
Hallo Alex,

ich kenne dieses Urteil aus Hessen 2009, als leidenschaftlicher Radler mit einer Spastik in den Beinen (fahre noch ein normales Trekkingrad mit Damenrahmen) hatte meine KK nach Kenntnis von diesem Urrteil angesprochen, und erfahren das in jedem Einzelfall wieder entschieden werden muß (also kein Freifahrtschein für alle Erwachsenen Patienten mit Gehbehinderung) also im Klartext, prozessieren am Sozialgericht ist angesagt, ohne allerdings eine 100% Gewißheit auf Erfolg.
Ich wünsche dir trotzdem ein gutes gelingen bei dem Unternehmen Therapierad.

Ich habe mal hier ein Auszug der Begründung zu diesem Urteil:





Startseite » Sozialrecht » Krankenversicherung
LSG-Urteil vom 17.12.09: Krankenkasse muss einer Behinderten Therapierad bezahlen
Autor:
Christoph May
vom:
29. März 2010 - 9:55

Ende vergangenen Jahres erging eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichtes, welche der gängigen Ablehnungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen in gleich gelagerten Fällen eine deutliche Abfuhr erteilte. Worum ging es ?

Die Klägerin, geboren im Jahre 1965 begehrte die Ersatzbeschaffung eines vorhandenen Behindertendreirades. Sie leidet u.a. an einer links- und beinbetonten Tetraspastik, ein Grad der Behinderung von 100 und das vorliegen der Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G und aG sind anerkannt. Die Klägerin ist halbtags berufstätig.

Seit ihrem 16. Lebensjahr nutzt die Klägerin ein Behindertendreirad, die letzte Neuversorgung lag über 10 Jahre zurück. Die Klägerin nutzt das Dreirad fast täglich.

Zur Begründung der Notwendigkeit eines neuen Behindertendreirades gab die Klägerin an, durch die tägliche intensive Nutzung ihre abnehmende Beweglichkeit, insbesondere ihre Gehfähigkeit erhalten zu können. Dieses Training ergänze die 2x wöchentlich stattfindende Krankengymnastik und sei besonders effektiv. Sie wolle nicht auf die Nutzung eines Rollstuhles „verbannt“ werden.

Die beklagte gesetzliche Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme für eine Ersatzbeschaffung eines Behindertendreirades mit der Begründung ab, die Klägerin sei über den Aktivrollstuhl und den Elektrorollstuhl hinreichend mit Hilfsmitteln für den Bereich Mobilität versorgt. Die gesetzliche Krankenversicherung habe nicht das Radfahren eines Erwachsenen als Grundbedürfnis sicherzustellen. Auch das schnellere Fortbewegen bei eingeschränkter Mobilität gehöre nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei einem Fahrrad handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.

Das Sozialgericht Marburg hatte bereits entschieden, dass der Klägerin die Kosten für eine Ersatzbeschaffung eines Behindertendreirades in Höhe von 2.300 EUR zu erstatten sind, da das Therapiedreirad notwendig sei, um einer drohenden Behinderung der Klägerin, nämlich dem gänzlichen Verlust ihrer Gehfähigkeit vorzubeugen. Das Training mit dem Dreirad erziele Erfolge, die nicht durch Krankengymnastik erreicht werden könnten. Die Hauptfunktion des Dreirades sei medizinisch geprägt, lediglich eine Nebenfunktion deute auf einen Gebrauchsgegenstand hin. Das Dreirad werde jedoch speziell für die Bedürfnisse von Behinderten hergestellt und auf deren Bedürfnisse (Körpergröße, Gewicht, Art der Behinderung…)abgestimmt. Selbst wenn von einer Doppelfunktion des Dreirades auszugehen sein, entbinde dies die Krankenkasse nicht von ihrer Leistungspflicht. Denn der auf die Hilfsmitteleigenschaft entfallende Teil der Herstellungskosten läge deutlich über den Kosten eines handelsüblichen Damenfahrrades.

Das Hessische Landesssozialgericht bestätigte die Entscheidung des SG Marburg. Der Anspruch auf Versorgung mit einem Therapierad stütze sich nicht auf § 33 Abs.1 Satz 1 3. Alternative (Ausgleich einer Behinderung), sondern auf § 33 Abs.1 Satz1 2. Alternative
( einer drohenden Behinderung vorzubeugen) SGB V.

Die erforderliche Krankenbehandlung habe das Ziel der Sicherung/Verbesserung der Mobilität. Hierzu seien bei der Klägerin in erster Linie eine Schulung und ein Training der koordinativen Fähigkeiten sowie eine Steigerung der Maximalkraft und Kraftausdauer und eine Minderung der Spastik, insbesondere der unteren Extremitäten erforderlich.

Die Versorgung mit einem Therapiedreirad sei insbesondere unter ergotherapeutischen und rehabilitativen Gesichtspunkten im Fall der Klägerin zweckmäßig. Die Versorgung sei auch wirtschaftlich, da die Kosten, gemessen an dem mehrjährigen Einsatz im Vergleich zu therapeutengebundenen Therapieformen vergleichbar gering seien.

Es ist davon auszugehen und zu hoffen, dass die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichtes rechtskräftig wird und dies zu einer veränderten Bewilligungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen in derartigen Fällen führt.

Constanze Würfel
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht
Krankenversicherung



Gruß Horst

Re: Kostenübernahme für Therapierad

BeitragVerfasst: Sa 13. Jul 2013, 12:49
von Lothar
Hallo Alex und Horst,

zu dem von euch zitierten LSG-Urteil vom 17.12.2009 gibt es ein BSG-Urteil vom 7.10.2010. Hier die Zusammenfassung:

"Bundessozialgericht - B 3 KR 5/10 R - Urteil vom 07.10.2010:

Ist zur Verbesserung der Mobilität und zur Unterstützung ärztlich verordneter Krankengymnastik ein sich zyklisch wiederholendes Bewegungstraining benötigt, das durch andere Therapiemethoden - etwa einen Hometrainer - nicht oder nur unzureichend sicher gestellt ist, kann zur "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" ein Anspruch auf ein Behindertendreirad bestehen. Bei den Anschaffungskosten kommt ein Abzug für ein gewöhnliches Fahrrad in Betracht."


Zwei Details in diesen zwei Sätzen erscheinen mir von besonderer Bedeutung.Zum Ersten, wird von "kann" gesprochen. Es ist also keine zwingende Kostenübernahme durch dieses Urteil gegeben. Um so wichtiger ist es, dass bei der der Begründung eines Anspruches die "Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung" in sich schlüssig beschrieben wird. Zum Zweiten, die Anschaffungskosten werden in keinem Fall voll erstattet. Der Anschaffungspreis für ein "gewöhnliches Fahrrad" ist abzuziehen.

Unter folgendem Link findet ihr die Quelle und den Langtext:http://www.anhaltspunkte.de/zeitung/urteile/B_3_KR_5.10_R.htm

Bei, bzw. vor der Verordnung eines Therapierades würde ich versuchen möglichst früh meine Krankenkasse mit ein zu beziehen. Ggf. kann so über eine Einzelfallentscheidung unabhängig von den Urteilen eine Lösung gefunden werden.

Viele Grüße
Lothar