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Fragen und Antworten zum Vortrag von Frau Prof. Dr. Winner

BeitragVerfasst: Mi 8. Jul 2020, 09:15
von Rudi
Fragen an Frau Prof. Dr. Winner und ihre Antworten
zum Online-Vortrag beim HSP-Info-Tag 2020 in Bayern


Wie man mit Stammzellen Ursachen und neue Therapien für die HSP finden kann ....... Zum Video

...........................................Die Fragen und Antworten können hier als PDF geladen werden

Liebe HSP Interessierte, liebe ZuhörerInnen,

für Ihr Interesse und die interessanten Fragen, die auch uns als Forscher helfen, möchte ich mich bedanken. Sehr hoffen wir, dass wir Ihre Fragen hiermit beantworten.





  1. In einer der ersten Folien sprechen Sie vom „dying back“ unserer Nerven. Sie erklären, dass es sich bei uns um ein Absterben der Nerven von rückwärts handelt. Meine Frage: Wenn die Nerven so wie bei mir schon lange von der HSP betroffen sind, dann dauert das Absterben auch schon lange an. Ist es denn möglich, dass solche abgestorbenen Nervenzellen wieder gesund werden können?

    Ja, das Absterben von Nerven rückwärts ist der wahrscheinlichste Mechanismus. Es gibt aber nicht nur eine Nervenzelle, sondern viele Nervenfasern von vielen Nervenzellen, die aber nicht alle gleichzeitig betroffen sind, sondern nach und nach. Daher sind auch bei vielen Patienten noch intakte und gesunde Nervenzellen vorhanden. Prinzipiell wäre eine Unterbrechung dieses Prozesses schon ein großer Durchbruch. Ob sich die Nervenfortsätze dann wieder erholen können oder abgestorbene Nervenzellen ersetzt werden können, müsste sich dann erst zeigen.


  2. Sie erwähnten das sich der Zustand der Zellen durch Stress verschlechtert. Was ist Stress für die Zelle? Können wir diesen Stress beeinflussen z.B. zu viel Aktivität, zu großer Kraftanstrengung, komplexen Bewegungen?

    Stress für die Zelle sind zum Beispiel Sauerstoffradikale oder Mangel an Nährstoffen und Energie. Also Ereignisse, die einzelne Zellen betreffen. Bewegung, Aktivität und Kraftanstrengung sind nicht mit diesem Stress gemeint. Anders: Bewegung und Aktivität sind wichtig und gut für die Erhaltung der Bewegungsfähigkeit bei der HSP!


  3. Sie haben die Maus im Wasserglas gezeigt und haben gesagt, dass die Maus ein schlechtes Forschungsmodell für die HSP sei. Sie sagen, dass das Rückenmark in der Maus anders als beim Menschen aufgebaut ist. Warum wird denn dann an vielen Kliniken bei der HSP immer noch mit der Maus gearbeitet?

    Alle Arbeiten zur HSP (und allen anderen Erkrankungen) benötigen derzeit Modelle. Für unterschiedliche Fragen benötigt man unterschiedliche Modelle. Viele Fragestellungen in der HSP wurden an Tumorzellen gemacht. Weit weg von der Realität einer Nervenzelle mit sehr langen Fortsätzen! In der Maus kann man bestimmte Dinge im Gehirn gut untersuchen (zum Beispiel das Zusammenspiel verschiedener Gehirnzellen), andere allerdings schlecht (die Zusammenhänge im Rückenmark). In gewisser Weise hängt das zu wählende Modell immer von der Frage ab und es gibt natürlich auch bei der HSP Fragen, die man in der Maus klären kann.


  4. Sie haben es herausgefunden, dass das Präparat Tideglusib bei SPG11 eventuell helfen könnte. Ein paar Fragen dazu:

    • Gibt es dazu bereits Studien mit SPG11-Patienten, bzw. wann starten solche Versuche?

      Nein, derzeit gibt es keine Studien zur SPG11. Es gibt derzeit nur Studien in anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Sehr gerne möchten wir in Erlangen diese Frage untersuchen, sind aber bisher wegen des mangelnden Interesse des Herstellers an dieser Fragestellung nicht weiter gekommen.


    • Erzeugt das Präparat einen Stopp der HSP-Entwicklung oder führt es zu einer Heilung der HSP?

      Da es noch keine diesbezügliche Untersuchung gibt, kann ich diese Frage nicht beantworten. Auch ein Stopp der HSP-Entwicklung wäre derzeit ein Fortschritt.


    • Kann das Präparat auch bei anderen SPGs helfen?

      Interessante Frage, die ich leider nicht beantworten kann, da diese Substanz derzeit noch in keiner anderen SPG getestet wurde.

    • In guten Seiten im Internet ist zu lesen, dass Tideglusib Karies heilen kann. Was haben denn Karies und HSP miteinander zu tun?

      Wusste ich noch nicht. Vielen Dank für die Information! Ein Zusammenhang zwischen Karies und der HSP ist mir nicht bekannt.

  5. Worin besteht der Unterschied (Ziel) der Forschung in Australien zu Ihrer? Grundsätzlich sehe ich hier Parallelen, wobei ich es positiv sehe wenn sie zum gleichen Ergebnis kommen wie in Australien. Haben die Australier nicht auch so angefangen wie sie? Nach deren aktuellen Meldungen auf der Homepage der Selbsthilfegruppe konnte ein direkter Zusammenhang zwischen Noscapin Dosis und dem Spastin Pegel in der Maus bereits nachgewiesen werden.

    Ja, unsere Studie basiert zum Teil auf der Arbeit und den Entdeckungen der Australier. Zudem stehen wir im regelmäßigen Kontakt mit dieser Forschergruppe. Unser Ziel hier ist, an den Forschungsergebnissen einerseits anzuknüpfen, und andererseits Alternativen für Noscapin zu finden.
    Im Rahmen dessen werden wir eine Plattform etablieren, mit der wir mögliche Nebenwirkungen der getesteten Wirkstoffe auf periphere Neurone kategorisieren können. Wichtig zu erwähnen ist, dass wir für unsere Experimente sogenannte isogene Kontrollen verwenden. Diese Kontrollen sind korrigierte Patientenzellen und helfen uns die Variabilität der Ergebnisse zu reduzieren und die Wirkung der Substanzen besser beschreiben zu können.


  6. Sie haben gesagt, dass Sie Experimente mit einem Lentivirus gemacht haben. Dadurch wurde die Menge von gesundem Spastin stark erhöht. Das hat dann dazu geführt, dass in diesem Versuch die Nachteile, die durch das zu geringe Spastin entstanden waren, ausgeglichen wurden. Das würde dann ja bedeuten, dass ihr Versuch zeigt, dass wir das gesunde SPG4 in unseren Zellen sehr stark steigern müssten, um positive Wirkung zu haben. Frau Dr. Schüle sieht das anders. Sie hat bei ihrem Vortrag im letzten Jahr in Bremen gesagt, dass ein Zuviel an SPG4 genauso schädlich ist, wie ein Zuwenig.

    Da stimmen wir Frau Dr. Schüle absolut zu. Die Konzentration ist entscheidend und zuviel ist genauso schlecht wie zuwenig. Auch unsere Experimente zeigen eine negative Wirkung von Spastin bei erhöhter Spastin-Konzentration. Dies hat zur Folge, dass wir während der Experimente mit Lentiviren stark auf die produzierte Spastin-Menge achten müssen, so dass die genau passt.


  7. Ich habe eine SPG7-Mutation. Kann die von Ihnen entwickelte SPG4-Plattform auch für meine SPG7-HSP verändert werden? Ist das auch für andere SPGs möglich?

    Die unterschiedlichen SPGs werden durch unterschiedliche Änderungen im genetischen Programm mit unterschiedlichen Problemen in den Nervenzellen verursacht. Während SPG4 durch Veränderungen des Proteins Spastin verursacht wird, wird SPG7 durch eine Veränderungen des Proteins Paraplegin hervorgerufen. Veränderungen in Spastin modifizieren die Struktur der Mikrotubuli und dadurch den axonalen Transport wohingegen Veränderungen in Paraplegin die Struktur der Mitochondrien und folglich den Transport beeinflussen.
    Obwohl die Experimente in diesem Projekt gezielt auf SPG4 entworfen wurden, können einzelne Experimente sowie Ergebnisse und Erkenntnisse verwendet werden und möglicherweise in die Erforschung anderer SPG-Erkrankungen einfließen.


  8. Wann rechnen sie frühestens mit Ihrer Erfahrung und dem derzeitig erlangten Wissen mit einer Studie von Medikamenten bei uns Betroffenen? Natürlich nur wenn es mit den derzeitigen Erfahrungen planmäßig läuft.

    Bis ein Medikament im Rahmen einer klinischen Studie an Menschen getestet werden kann, müssen sehr viele Fragen sicher geklärt sein: Diese betreffen die Wirksamkeit der Substanz: Wirkt sie gezielt? Geht das Molekül evtl.Verbindungen oder Reaktionen mit anderen Molekülen des Körpers ein?
    Und die Sicherheit: Wie verhält es sich mit dem Abbau oder Ausscheidung? Welche Dosis ist notwendig? Welche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind zu erwarten und welche Nebenwirkungen können auftreten?
    Bevor eine Erprobung an den betroffenen Patienten durchgeführt werden kann, steht eine lange Reihe von molekularen und chemischen Analysen, Toxizitätsanalysen und beim Übergang in klinische Studien die Testungen an Probanden. Im Schnitt dauern diese Schritt 10 Jahre und mehr.


  9. Da diese Arbeit in wenigen Monaten mit einer Publikation abgeschlossen wird, haben sie sicherlich weitere Schritte geplant. Welche sind diese?

    Wir hoffen, durch den Aufbau unseres Testsystems geeignete Substanzen zu identifizieren. Nachfolgende Forschungen werden sich mit der ausführlichen Analyse der Wirkstoffkandidaten befassen und ihren Einfluss auf die betreffenden Proteine, Zellorganellen und Folgeprozesse analysieren.


  10. Sie wollen die Wirksamkeit von mikrotubulimodifizierenden Wirkstoffen testen. Sie zeigen in der Folie ganz oben den Wirkstoff Noscapin. Damit arbeiten ja nun seit ein paar Jahren die Australier bereits. Sie wollen bald mit Versuchen an HSP-Patienten beginnen. Können Sie nicht gemeinsam am Einsatz dieses Wirkstoffs arbeiten? Das wäre doch eine gute Ergänzung Ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten.

    Wir bauen hier auf die Arbeiten der australischen Arbeitsgruppe, mit der wir in regem Kontakt sind, auf. Unser Ziel ist es, ein Testsystem zu entwickeln, mit dem unterschiedliche Substanzen ausgetestet werden können an Patienten (in der Zellkultur). Noscapin ist dabei die Substanz, von der man schon genau weiß, wie sie wirken soll. Noscapin nehmen wir zum Vergleich auf um neue Substanzen zu finden. Den Schritt auf den Patienten zu, gehen wir dann mit klinischen Kollegen im Rahmen einer klinischen Studie.



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