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Fragen und Antworten zum Vortrag von Herrn Dr. Gaßner

BeitragVerfasst: Fr 10. Jul 2020, 17:23
von Rudi
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Fragen an Herrn Dr. Gaßner und seine Antworten
zum Online-Vortrag beim HSP-Info-Tag 2020 in Bayern


Ganganalyse und sporttherapeutische
Interventionen bei Spastik
.............................. Zum Video

........................................................................Die Fragen und Antworten können hier als PDF geladen werden

HG: Vielen Dank für Ihr Interesse an meinem Vortrag und die Fragen zum Thema. Nachfolgend beantworte ich Ihre Fragen (in blau). Sollten hierzu noch weitere Rückfragen bestehen, können Sie mich gerne wieder kontaktieren.





  1. Bereits vor ca. 20 Jahren hat Prof. Klebe in Kiel Laufbandstudien durchgeführt. Das war ein Projekt der Wahlig Stiftung. In der Projektbeschreibung war damals zu lesen:

    „Ziel der geplanten Untersuchungen ist es objektivierbare Parameter zur Evaluation der Therapie der spastischen Spinalparalyse mit Hilfe der systematischen Ganganalyse zu erarbeiten und in die klinische Praxis in vereinfachter Form umzusetzen.“

    Auch damals wurde uns gesagt, wie wichtig das für die Forschung und für die Therapie sei. Passiert ist aber nichts für uns. Warum soll sich das bei Ihnen nun verändern.

    HG: Das in diesem Projekt verwendete Ganganalyse-System „Mobile GaitLab“ der Portabiles Healthcare Technologies GmbH ist gerade (Juli 2020) zum Medizinprodukt der Klasse 1 zugelassen worden und steht nun für den Einsatz in der medizinischen Praxis zur Verfügung. Durch die objektive Ganganalyse können neue Behandlungsverfahren wie gezielte Bewegungstherapie oder Medikamente mit diesen sog. „digitalen Biomarkern“ bewertet werden. Eine Verbesserung der Gangparameter kann auch als zusätzliche Argumentation gegenüber den Krankenkassen dienen, wenn Off-Label-Therapien wie Botulinumtoxin A oder Fampridin oder Hilfsmittel wie eine funktionelle Elektrostimulation beantragt werden.

    Was ist neu gegenüber der „Laufbandstudie vor 20 Jahren“? Das mobile Ganganalysesystem kann flexibel in der Ambulanz eingesetzt werden. In den vergangenen Jahren konnten wir mit diesem System in Erlangen über 1000 Ganganalysen bei Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern durchführen und weitere Zentren in Deutschland anbinden, um die Datenmenge noch weiter zu erhöhen. Je mehr Datensätze wir sammeln, desto besser können wir die Gang-Charakteristiken der Patienten verstehen. Bei HSP-Patienten haben wir damit bereits die Gangmuster von mehr als 50 Patienten aufzeichnen können und auch an den HSPZentren in Tübingen und Essen wird unser System mittlerweile eingesetzt.


  2. Es ist ja schön, wenn Sie von mir „objektivierbare“ Messdaten bekommen, um die Diagnose des Arztes zu unterstützen. Aber, was bringt mir das? Meine Diagnose ist genetisch nachgewiesen und ist damit gesichert. Das Ganze ist doch keine Therapie.

    HG: siehe Antwort zu Frage 1).

  3. Sie messen mit den Spezialschuhen viele Werte; Sie nennen die Gangparameter. Aber was helfen mir die. Muss ich –oder kann ich- nach der Auswertung der vielen Werte mein Gangbild verändern? Wo liegt mein Vorteil?

    HG: siehe Antwort zu Frage 1).

  4. Was machen Sie mit den Gangparametern? Dienen die nur dazu eine Publikation zu erstellen? Habe ich da etwas Positives von?

    HG: siehe Antwort zu Frage 1).

  5. Sie sagen, dass Sie Therapieeffekte sichtbar machen wollen. Es gibt doch noch gar keine wirklichen Therapien. Was wollen Sie denn eigentlich messen?

    HG: siehe Antwort zu Frage 1). Wir können z.B. messen, ob sich ihr Gangbild nach einer Injektion mit Botulinumtoxin A verbessert. Damit haben wir dann objektive Messwerte, die mögliche Gangbildverbesserungen belegen, als Ergänzung zu Ihrem persönlichen Empfinden („ich fühle, dass mein Gangbild sicherer geworden ist“), welches eine Kostenerstattung der Behandlung zusätzlich unterstützen kann.

  6. Es ist ganz prima, dass Sie unser Gehen sowohl in der Klinik und auch zuhause bzw. im Alltag aufnehmen. Nur damit lassen sich Erfolge von Behandlungen klar aufzeigen. Aber, wer nutzt denn dann diese Daten? Sind die für die Pharmafirmen wichtig? Sind die für die Krankenkassen wichtig?

    HG: siehe Antwort zu Frage 1). Wichtig ist hier zu verstehen, dass wir die Daten von Ihrem Gangbild dringend benötigen, um positive Effekte belegen zu können. Ohne die Betroffenen könnten wir diese Studien nicht durchführen, deshalb an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön für Ihre Bereitschaft zur Studienteilnahme. Genauso wichtig ist es zu verstehen, dass auf keinem dieser Datensätze Ihr Name steht, sondern nur eine Studiennummer und nur Ihr behandelnder Arzt innerhalb der Studie weiß, wem die Daten gehören. Das bedeutet, Ihre persönlichen Daten sind bei uns sicher und werden NICHT an Pharmafirmen etc. weitergegeben.

  7. Die Pharmafirmen wollen ihre Daten gerne haben. Müssen Sie diese Daten unabhängig voneinander für jedes Krankheitsbild entwickeln oder können diese Daten übergreifend genutzt werden?

    HG: Wir können bei der HSP das Wissen nutzen, das wir aus Studien bei anderen Krankheitsbildern gewonnen haben, z.B. dass Gangparameter technisch zuverlässig mit einem mobilen System erhoben werden können. Den klinischen Nutzen müssen wir aber für jedes Krankheitsbild separat belegen (z.B. Nutzen von Botulinumtoxin A, siehe oben). Da das Gangbild der HSP-Patienten nicht mit anderen Krankheitsbildern (wie z.B. dem Parkinson-Syndrom) verglichen werden kann, muss unser Algorithmus derzeit in einem aufwändigen manuellen Prozess durch einen Informatiker an die spezifische Gangsignatur von HSP-Patienten angepasst werden. Wir arbeiten gerade daran, diesen Prozess zu vereinfachen und werden dabei vom Förderverein für HSP-Forschung e.V. finanziell unterstützt. Ganz herzlichen Dank dafür!

  8. Ihre Arbeit Herr Dr. Gaßner ist ganz großartig. Was glauben Sie, wann wir denn erste Tests auf die Wirksamkeit von Medikamenten damit machen können? Welche Vorlaufzeit zum Aufnehmen der Gangparameter brauchen Sie vor dem Messen der Therapieerfolge?

    HG: Ich bleibe bei dem Beispiel „Behandlung mit Botulinumtoxin A“. Die nach vier Wochen bestehenden positiven Effekte messen wir gerade am Uniklinikum Erlangen. Um auch langfristige Veränderungen (z.B. durch eine Therapie, die den Verlauf verlangsamt) messen zu können, benötigen wir allerdings eine große Anzahl an Patienten, die an den klinischen Studien teilnehmen. Hier sind wir auf Ihre Teilnahme angewiesen.

  9. Danke für die mitgelieferten Videos zum Training. Das Ganze ist wirklich prima und gibt mir und meinen Therapeuten in der Krankengymnastik gute Ideen.

    HG: Vielen Dank! Auch wenn die Videos für Parkinson-Patienten konzipiert wurden, können HSP-Patienten davon profitieren, insbesondere was die Übungen zur Mobilisation, Gang-Koordination, Gleichgewicht und Sturzprophylaxe angehen.

  10. Sie haben Übungen für Patienten mit Parkinson als Video eingestellt. Können Sie so etwas auch einmal für HSP machen? Können Sie das vielleicht mit Tübingen und den Ergebnissen aus der dort gelaufenen Patientenstudie gemeinsam machen?

    HG: Ich kenne die Ergebnisse aus der Studie in Tübingen noch nicht. Ein Treffen mit der Ergebnisvorstellung wurde durch die Corona-Pandemie leider verschoben. Sobald ich mehr darüber weiß, können wir uns Gedanken machen, wie die Bewegungstherapie bei HSP-Patienten gezielter eingesetzt werden kann. Videos und Heimtrainingsprogramme kann ich mir hier gut vorstellen.

  11. Ihr System soll eingesetzt werden, um die Wirksamkeit von Therapien mit hoher Genauigkeit zu messen. Wann wird es denn solche Therapien geben? Welcher Zeitraum wird denn zwischen Testbeginn und Zulassung einer solchen Therapie nötig sein.

    HG: Dieser Zeitraum, von dem Sie sprechen, hängt stark davon ab, wie groß die Therapieeffekte sind und in wie vielen Fällen positive Therapieeffekte gemessen werden können. Es ist leider nicht gesagt, dass eine zunächst erfolgversprechende Therapie am Ende einer großen klinischen Studie durch positive Effekte in einer großen Zahl an Patienten bestätigt werden kann. Ganz unabhängig von dem Zulassungsprozess. Mir fehlt die Erfahrung bei der Medikamentenzulassung, um eine konkrete Zahl nennen zu können (darum kümmern sich die Pharmafirmen). Aber denken Sie in einer Größenordnung von vielen Jahren statt von Monaten. Man muss allerdings auch sagen, wenn wir nicht anfangen bzw. weitermachen, diese Studien durchzuführen, wird es eine Zulassung gar nicht geben.

    In diesem Sinne, lassen Sie uns weitermachen. Danke!



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