Liebe Mitglieder,
ich habe eine Publikation zu SPG4, vom Dezember 2018 gefunden, die ich recht interessant fand verlinkt (https://academic.oup.com/brain/article-abstract/141/12/3331/5202524?redirectedFrom=fulltext). Sie stammt aus der Forschungsgruppe von Prof. Alexandra Durr in Paris. Ich bin selber kein Genetiker und fasse das einfach mal so zusammen, wie ich es verstanden habe. Konstruktive Kritik zu meiner Zusammenfassung ist ausdrücklich erwünscht.
Die SPG4 ist eine Erbkrankheit, bei der es ausreicht, dass eines der beiden Gene, die wir von Mutter und Vater bekommen nicht funktioniert, damit die Krankheit ausbrechen kann (autosomal dominant). Nicht bei jedem Anlageträger bricht sie - im Laufe des Lebens - aus. Die Arbeit zeigt, dass die Krankheit leider sehr häufig ausbricht und häufiger bei Männern. Nur 6% der männlichen Anlageträger bleiben ein Leben lang ohne Symptome. Bei den Frauen sind es zumindest 12%. Leider ist die Ausprägung der Symptome statistisch bei Frauen schwerer als bei Männern.
Es gibt verschiedene Arten von nicht funktionierenden Genen. Solche, die gar kein Protein erzeugen (truncation) und solche, die ein falsches Protein erzeugen (missense). Die Arbeit zeigt, dass falsche Proteine ("missense Mutationen") das frühe Ausbrechen der SPG4 begünstigen und auch häufiger mit kognitiven Einschränkungen einher gehen. D.h. bei der autosomal dominaten SPG4 sind missense Mutationen tendenziell mit einem höherem Schweregrad der Erkrankung verbunden. Das ist nicht bei allen Formen der HSP so. Bei der autosomal rezessiven SPG5 ist es genau umgekehrt.
Ich persönlich interpretiere diese Beobachtung als Chance für die Forschung und damit für eine Hilfe am Weg zur Therapie. Wenn kleine Veränderungen im Protein große Auswirkungen haben, dann kann das das bei der Entwicklung und Auswertung von Zellexperimenten nur helfen.
Ein trauriges Schicksal einer in die Studie eingeschlossenen Patientin liefert trotz allem auch einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Zukunft. Die Patientin war zusätzlich zur HSP an Krebs erkrankt und ist daran verstorben. Sie hatte sich damit einverstanden erklärt, dass man nach ihrem Tod ihre Nerven histologisch genau untersucht. Dabei hat man festgestellt, dass in ihrem Hirnstamm und Rückenmark viel mehr kleine Nervenfasern waren, als bei neurologisch gesunden Patienten. Die Autoren der Studie geben dafür zwei mögliche Erklärungen an.
a) Es könnte sein, dass es eine Regeneration ist (d.h. das Gegenteil der Degeneration. Es könnte sein, dass der Körper auf die SPG4 reagiert und versucht, neue Nervenfasern zu bilden). Es gelingt aber nicht, die auswachsen zu lassen. Wenn das stimmt, wäre es eine Chance für zukünftige Therapien.
b) Es könnte sein, dass die vielen kleinen Nervenfasern aufgrund der SPG4 verkümmerte Fasern sind. Also eine Folge der Erkrankung aber kein Versuch des Körpers diese zu bekämpfen.
Welche der beiden Erklärungen stimmt, weiß niemand und die Autoren der Studie sind vorsichtig. Wenn bewiesen werden könnte, dass die Vermutung der Regeneration richtig ist, würde das Chancen bieten. Aus meiner Sicht wäre es Wert, diese Frage weiter zu erforschen. Deshalb wollte ich meine Gedanken dazu hier hereinstellen.
LG Gerald